«In Walter Grässlis an sich ungegenständlich wirkenden Bildern lassen sich selten auch Figuren erahnen, wie z. B. in den Werken «Silent Smoking», wo sich teils geometrische Formen zu einem aufregenden Gefüge verdichten. Grässli erreicht mit jeder Komposition wieder besondere Konstellationen von Farbklängen die im Bild jeweils einen eigenen Charakter entwickeln, was dazu führt, dass man sich von dieser Farblichtmalerei unbedingt noch mehr wünscht.»

 

«Das Bild «Blue Reality» hat in seiner dichten Textur

schon beinahe textilen Charakter. Grässli bleibt stets

in der Abstraktion und lässt Farbfelder zu Formen verschmelzen,

die bisweilen räumliche Wirkung haben.»

 

«…Denn erst hier entwickeln sich ungeahnte, aufregende Farbklänge,

die sich in ihrer jeweiligen Nachbarschaft entweder zum Erblassen

oder zum Leuchten bringen. Sehr deutlich ist das im Bild «Burning Desire» zu erkennen. Grässli verwendet stets reine Farben, die er als Punkte in mehreren Schichten

dicht an dicht auf die Leinwand bringt.»

 

Dr. phil. Ingrid Gardill, Kunshistorikerin,

in «Neue Kunst heute – 2016», München 2016.

 

«Den pointillistisch anmutenden Gemälde von Walter Grässli sind jahrelange, intensive Farbstudien vorausgegangen. Die sehr komplexen Arbeiten entstehen Schritt für Schritt. Der Prozess beginnt meist damit, dass das Bild in seiner Farbigkeit vor dem inneren Auge des Künstlers entsteht. Es folgen Skizzen, die den Bildaufbau entwickeln, dann legt Grässli die Untermalung in Eitempera an. Diesem Vorgang widmet er besondere Aufmerksamkeit, da er später die Komposition nicht unwesentlich mitprägen wird. So trägt Grässli dort die jeweilige Komplementärfarbe zu der Farbe auf, die zuletzt die Oberfläche bildet und in Öl ausgeführt wird.»

 

«Mit der Idee der Komplementärfarbigkeit folgt er jedoch keinem starren Prinzip, sondern erwägt immer wieder, ob der Farbauftrag in seiner Wirkung jeweils angemessen erscheint. Der Betrachter wird schliesslich reich belohnt mit einem Gewebe von Farben, das sich bisweilen flirrend zu bewegen scheint. Das Auge findet keinen Ruhepol, da die Komposition nicht nach üblichen Gesetzmässigkeiten angelegt ist, sondern die abstrakten Formen Minimalistischen Reihungen folgen (Taubenpost).»

 

«Der Werkserie mit Variationen um die Themen «Fächer» und «Klänge» sind die beiden andern Arbeiten entnommen, in denen Grässli einen breiten Mittelstreifen vertikal durch die Bilder verlaufen lässt. In «Ruhiger Klang» liegt der besondere Akzent im intensiven Leuchten der Farben, das durch die speziellen Farbsetzungen einen starken Effekt zeigt, während in «Blauer Fächer», vorwiegend der interessante Farbkontrast wirksam ist. So lässt Grässli immer wieder die aufregendsten Farbklänge vor den Augen des Betrachters zur Entfaltung kommen.»

 

Dr. phil. Ingrid Gardill, Kunshistorikerin,

in «Neue Kunst heute – 2017», München 2017.

 

Das Gemälde «Drei komplementäre Paare» (Zwischenräume) von Walter Grässli ist inspiriert von Christian Morgensterns Gedicht «Lattenzaun» und setzt sich mit den Zwischenräumen des Stakkato und dessen Gegenpol, der leicht wellenförmigen Horizontalen ästhetisch auseinander. Die kraftvoll leuchtenden Farben des bildprägenden Rot und Hellblau lässt Grässli entstehen, indem er den Untermalungen kontrastierende Komplementärfarben zufügt, flankiert von Nachbarfarben, die sich in ihrer jeweiligen Wirkung gegenseitig verstärken. Diese trägt er in vielfachen Schichten auf und verändert sich so lange, bis sich ein stimmiger Farbklang entwickelt. Durch pointillistische Malweise kann Grässli in sehr feinen Setzungen arbeiten, die in der Fernsicht wie Abstufungen wirken, doch tatsächlich stets auf Farbkontrasten aufbauen.

 

Seine über viele Jahre hinweg entwickelten Farbstudien greifen interessanterweise auch bei unbunten Grautönen. Die beiden Gemälde «Spirale I» und «Spirale II» aus der Werkserie «Aufbruch–Ausbruch»gründen in seiner Vorgehensweise eine einzelne Form in verschiedenen Variationen, wie Reihung, Überlappung. Oder Durchdringung so oft auf den Malgrund zu zeichnen, bis ein dichtes Formgefüge entsteht. Dann beginnt der oben beschriebene Malprozess. Doch diese strengen Gefüge werden durch die Spiralform wieder aufgebrochen bis hin zur Zersplitterung in «Spirale 2». Die sehr ansprechenden, kalten oder warmen Grautöne zeigen Wirkung der Formationen aufs Schönste. Dabei kommt es dem Künstler auch auf die für das Auge unsichtbar gewordenen Spuren an, die unter den Schichten verborgen liegen, aber dennoch wirken – bereit für den Ausbruch.

 

So sind auch die jüngsten Werke des Künstlers geprägt vom Reichtum an Formen und der unerschöpflichen Vielfalt nuancenreicher Farbeffekt. In den beiden Grisaillearbeiten sind es die lebendigen Graustufen, deren Wertigkeit Grässli gekonnt ausbalanciert und aus denen höchst beachtliche Bildwelten hervorgehen.

 

Dr. phil. Ingrid Gardill, Kunshistorikerin,

in «Neue Kunst heute – 2018», München 2018.